Auf gutem Wege - Mein erstes Jahr mit dem Alphorn

Fast genau ein Jahr ist vergangen, seit ich an einem nebligen Tag mit einem BKJV Alphorn nach Hause gekommen bin. Nun sollte mein Plan also endlich Wirklichkeit werden: Ich konnte endlich, endlich lernen, das Alphorn zu blasen. Der Wunsch war schon viele Jahre da, ich habe mehrmals sogar geträumt, ich sein ein Alphornbläser - aber es kam immer etwas dazwischen! So ist das nun mal im Leben. Dass es kurz vor meinem 40. Geburtstag endlich geklappt hat, lag auch daran, dass ich an einem Jodlerabend mit einer Alphorngruppe Kontakte angeknüpft hatte.

Was ich während den ersten Tage erlebte, habe ich bereits vor einem Jahr berichtet. Bald einmal stellte sich heraus, dass das Alphorn kein Musikinstrument ist, das man 'so nebenbei' erlernen kann, es erfordert viel Zeit, Hingabe, und Geduld. Am besten ist es, den Tag so zu planen, das genug Zeit für das Alphorn bleibt. Ich habe mein Haus 'alphornkompatibel' gemacht, an kalten Tagen ist der Keller das Probelokal, dort kann ich ungestört üben, niemand hört es... oder fast niemand (Meine 'Nachbürin' nahm es nicht übel, als ich ihr - während sie gerade die Treppe hochstieg - übermütig den Takt blies). An schönen Tagen sind der Inkwiler- und der Etzikerwald meine Ziele, dort kann ich mich nicht nur von einem langen Arbeitstag erholen, sondern auch in der frischen Waldluft üben, was ich in der Gruppe gelernt habe. Einmal im Oktober hat in einiger Entfernung jemand auf einem Jagdhorn gespielt. Da wir uns gegenseitig hören konnten, entstand ein reger Austausch von Alphorn- und Jagdhornrufen.

Apropos Gruppe, ich bin Mitglied in der Alphorngruppe Sumiswald. Ich wurde dort sehr herzlich aufgenommen und die Mitglieder nahmen sich immer Zeit, mir bei Fragen und Problemen beizustehen. Auch an dieser Stelle möchte ich allen dafür danken. Besonders danke ich Jürg Muralt, der mich während mehreren Wochen jeweils eine halbe Stunde vor der Probe mit dem Alphornblasen vertraut machte. Nicht vergessen darf ich dabei natürlich meine Nachbarn, die mich immer ermutigt haben, auch zuhause im Freien zu üben, "nume drahi, es stört üs nüt!".

Wie habe ich geübt? Jeden Tag! Um das möglich zu machen, habe ich auf andere Aktivitäten am frühen Abend verzichtet und begann früh zu arbeiten, damit ich zeitig daheim sein konnte! Im Büro begannen bald einmal die Fragen, warum ich unbedingt um fünf heimwärts will. Eine neue Freundin? Nein, aber nahe dran...

Durch das regelmässige üben gelang es mir bald einmal die ersten drei Töne c-e-g zu spielen, auch das Bass-g kam hinzu, um zwischen diesen Tönen Beweglichkeit zu erlangen, brauchte es aber noch einmal mehrere Wochen! Als ich einmal drei Tage nicht üben konnte, fiel ich zurück, das liegt wohl daran, dass ich noch Anfänger bin. So ging es weiter bis in den Frühling: c-e-g, Bass-g, in verschiedenen Variationen, leise, laut, ganz laut, usf. Fast etwas neidisch hörte ich den andern Bläsern zu, wie sich sich in die hohen Töne 'emporschwangen'. Wann werde ich das wohl auch können? Mehrere Bläser versicherten mir, dass es viel wichtiger ist, zuerst die tiefen Töne schön und sauber zu spielen. Also weiter... Im Sommer kamen dann das b und das c" fast von allein, als ich während den Ferien am frühen Morgen übte (ich ging nicht fort - wegen dem Alphorn!) Bis ich dann aber das c" auch im Rahmen einer Melodie spielen konnte, vergingen noch einmal Wochen.

Oh ja, Melodien! Wunderschöne Melodien habe ich kennengelernt! Die Bänklialp, 'Uf der Höchalp', 'Gruss an Eich', 'Der Bärner' und einige mehr. Ab dem Sommer bemühte ich mich, jede Woche eine Melodie auswendig zu lernen. In dieser Zeit gelang es auch erstmals, einzelne Takte einer Melodie in der zweiten Stimme zu spielen. Im Moment übe ich daran, eine ganze Melodie mitzuhalten, was mir noch schwer fällt, nach 20-30 Sekunden lässt die Kraft nach, gerade so, als wenn ich eine gewisse Zeit mit dem Arm ein Gewicht gestemmt habe und dann wenigstens für einen Moment loslassen muss, weil der Arm zu schmerzen beginnt... Das hat mit den Lippen- und Gesichtsmuskeln zu tun, oder?

Das üben ist mit viel Freude, aber hin und wieder auch mit Enttäuschung zu tun. Gross ist die Freude, wenn etwas nach langem üben endlich gelingt. Über alle Erfolge, waren sie auch noch so klein, habe ich mich tagelang gefreut, war richtig glücklich und in Hochstimmung. Die kontinuierlichen Fortschritte waren deutlich erkennbar. Hin und wieder ging es aber auch 'bergab', das soeben gelernte 'Cheerli' gelang nicht mehr ...auch am folgenden und am dritten Tage nicht. Hier gibt es nur ein Rezept: Weitermachen, nicht entmutigen lassen, es kommt schon wieder!

Wo stehe ich heute, nach einem knappen Jahr? Vielleicht dort, wo es gelingt ein oder zwei Zeilen einer einfachen Melodie zu spielen. Aber dies ist für mich gar nicht mehr so wichtig, ich über regelmässig weiter und freue mich auf das, was noch kommen wird!